Rundfunkgeschichte vom 04. April
Am 4. April 1954 gibt der italienische Dirigent Arturo Toscanini sein letztes Konzert – und durch einen glücklichen Zufall ist es in Stereo-Qualität erhalten geblieben! Das Konzert in der Carnegie Hall in New York wird noch durch einen weiteren Umstand legendär, dazu später mehr.
Arturo Toscanini ist bei Musikern gefürchtet für sein Temperament: Mit ungebrochener Energie und vollem Körpereinsatz steht er Jahrzehnte lang am Pult. Er ist 87 Jahre alt, aber das merkt man ihm nicht an. Sein eigenes, vom Sender NBC gegründetes Symphonieorchester ist vollzählig angetreten, auf dem Programm steht Musik von Richard Wagner: das Lohengrin-Vorspiel, Siegfrieds Rheinfahrt und das Venusberg-Bacchanal aus dem „Tannhäuser”.
Mitten in diesem Stück passiert es: Arturo Toscanini hört auf zu dirigieren. Er steht am Pult wie in Gedanken, eine Hand hält er sich vor die Augen. Das Orchester gerät ins Schwimmen. Der erste Cellist steht auf und übernimmt es, den Kollegen die Einsätze anzuzeigen. Nach einer Minute fängt sich Toscanini wieder und dirigiert weiter. Zu hören ist die kleine Panne auf frühen Stereo-Versuchsaufnahmen von John „Jack“ Pfeiffer. Der Ingenieur experimentierte für RCA mit Stereo- und Quadrophonieaufnahmen. So ist das bemerkenswerte Konzert erhalten geblieben.
Den Schlussapplaus des Publikums nimmt Toscanini übrigens nicht mehr entgegen. Was ist passiert, hat er einen Schwächeanfall? Nein, wohl eher nicht. Der Sender hatte Toscanini zu verstehen gegeben, man wolle das Orchester auflösen und wünsche sich, dass er seine Dirigenten-Laufbahn beende. Toscanini tritt nie mehr als Dirigent auf. Wenige Monate später wird das Orchester aufgelöst. Der Maestro stirbt drei Jahre später.