Rundfunkgeschichte vom 21. April
Was war nochmal der Payola-Skandal? Es hat etwas mit dem Zuhören zu tun, mit dem Radio und dem Boom neuer Musik in den 1950er Jahren. Die Bezeichnung Payola setzt sich aus den Worten pay (bezahlen) und Victrola (Plattenspielersystem) zusammen und steht für den Vorgang des „pay for play“ (engl.: „bezahlen für das Abspielen“). Es geht darum, dass eine Plattenfirma die DJs und Redakteure von Radio- und Fernsehsendern schmiert, damit diese ein bestimmtes Lied häufiger spielen. Das steigert die Popularität eines Songs und damit die Plattenverkäufe.
Viele DJs sind sich ihres Status bewusst und schließen Pauschalverträge mit Plattenfirmen und -vertrieben ab. Ein halbwegs bekannter DJ konnte 50 Dollar pro Woche und Platte einstreichen, die einflussreicheren DJs bekamen Anteile an den Einnahmen lokaler Konzerte, aufwendige Reisen, kistenweise kostenlose Platten. Einige eröffneten sogar ihre eigenen Plattenläden! Joe Finan, DJ aus Cleveland, beschrieb das Jahrzehnt später so: „Es war eine Mischung aus Alkohol, Weibern und Bestechungsgeldern.“
Am 21. April 1960 sagt Dick Clark vor einem Ausschuss des US-Kongresses aus. Er ist als Moderator der Fernsehshow „American Bandstand“ bekannt und eine einflussreiche Person in der Rock-’n’-Roll-Szene. Er spricht über einen Zeitraum von gut zwei Jahren und gibt zu, dass er ein finanzielles Interesse an 27 Prozent der Platten hatte, die er in „American Bandstand“ spielte – er war immerhin Teilhaber an sieben Indie-Labels, sechs Verlagen, drei Plattenvertrieben und zwei Talentagenturen. Clark gibt sich reumütig, verkauft seine Geschäftsanteile, sein Name wird reingewaschen. Er moderiert viele Jahre das traditionell Silvesterprogramms vom New Yorker Times Square. Wegen seines vergleichsweise jungen Aussehens hat er den Spitznamen „America's Oldest Teenager“. 2012 stirbt er mit 82 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts.
Sein Kollege Alan Freed dagegen weigert sich, zuzugeben, dass Payola eine illegale oder unmoralische Praxis ist. Freed kommt zwar mit einer Geldstrafe und einer Gefängnisstrafe auf Bewährung davon, aber er ist erledigt. Fünf Jahre später stirbt er, pleite und praktisch vergessen.
Rundfunkgeschichte vom 18. April
Mit Propaganda nimmt man Einfluss darauf, wie Menschen sich verhalten – und das wissen im Zweiten Weltkrieg alle Seiten. Es gibt etliche Sender, die mit Tricks und Täuschungen arbeiten: Einer der Sender ist der Nachtsender 1212, ein bei den deutschen Truppen beliebtes Programm. Er ist nachts zwischen zwei und sechs Uhr auf den Langwellenfrequenzen von Radio Luxemburg zu empfangen. Es ist ein Tarnsender der US-amerikanischen Armee, der sich als deutscher Sender ausgibt.
Am 18. April 1945 stellt er den Sendebetrieb ein, doch es übernimmt eine "Widerstandsgruppe Neues Deutschland". Es wird so getan, als ob Deutsche innerhalb Deutschlands eine Widerstandsgruppe gegründet haben, um den Krieg zu beenden. Eine fiktive Geschichte dreht sich um eine deutsche Stadt, die sich gegen das Naziregime auflehnt. Botschaften des Bürgermeisters werden verlesen. Unter dem Stichwort „Frieden jetzt!“ wird zu Widerstand und Sabotage gegen das Nazi-Regime aufgerufen.
Der Sender arbeitet ähnlich wie der von den Briten betriebene Soldatensender Calais, der mit Unterhaltung wirbt, aber versucht, die deutsche Militärmoral zu untergraben und Fehlinformationen zu verbreiten.
Aber auch diese Tarngeschichte innerhalb der Tarngeschichte endet abrupt, eine Woche später, am 25. April 1945: Urplötzlich wird das Programm unterbrochen, Stimmengewirr ist zu hören, Türenschlagen, schwere Schritte. Authentisch wirkt das auf jeden Fall. Wieviel Sender 1212 bewirkt hat, das ist umstritten.
Rundfunkgeschichte vom 16. April
Vorgestellt wurde es in der Zeitschrift „Popular Electronics“ - das erste solarbetriebene Radio. General Electric brachte es im April 1956 heraus. Für die breite Masse war es nicht gedacht, ein Kaufpreis ist auch leider nicht überliefert. Aber die nackten Zahlen sprechen für sich: Eingebaut in das Radio waren sieben Solarzellen, es sollte 500 Stunden laufen ohne erneute Aufladung.
Rundfunkgeschichte vom 15. April
Ein 14-jähriger Funker-Azubi ist der erste, der erfährt, dass etwas mit der „Titanic“ nicht stimmt, in der Nacht auf den 15. April 1912. Dieses Detail der Tragödie ist erst nach Jahrzehnten ans Licht gekommen.
Jimmy Myrick sitzt vor dem Empfangsgerät in der Telegrafenstation von Cape Race an der Küste Neufundlands und sortiert Meldungen, es sind vor allem Reisegrüße von Schiffspassagieren nach Hause. Doch um 22.25 Uhr wird die Ruhe unterbrochen. Kimmy hört einen besonderen Morse-Code: CQD - CQD - CQD. Es ist das maritime Notrufsignal. Jimmy rennt los, seinen Chef zu alarmieren.
Ungefähr 600 Kilometer entfernt, im Nordatlantik, ist auf dem Luxusliner „Titanic“ die Hölle los. Der Funker Jack Phillips sendet verzweifelte Hilferufe nach draußen. Auch nach Cape Race, denn die Marconi-Station ist ein strategisch wichtiger Ort, eine Relaisstation am Ende der Welt, am östlichsten Rande des Kontinents.. Hier gehen die drahtlosen Nachrichten aus Europa und von Schiffen ein, von hier werden sie weitergegeben nach New York oder in andere Städte in den USA.
Der 14-Jährige Nachwuchs-Funker erreicht seine Vorgesetzten, die reagieren sofort und schicken die Meldung von der „Titanic“-Tragödie weiter. Drei Stunden später versinkt der riesige Luxusliner in den eisigen Fluten, 1517 Menschen sterben, nur 711 überleben.
Die Katastrophe wäre vielleicht zu verhindern gewesen, wenn die Verantwortlichen auf dem Schiff die Warnung vor Eisbergen ernster genommen hätten. Denn dass Eisberge im Nordatlantik schwammen, war bekannt. Eine ganz konkrete Warnung allerdings könnte die Schiffscrew auch nicht erreicht haben, weil Schiffsfunker Phillips so sehr damit beschäftigt waren, Urlaubsgrüße weiterzugeben. Genervt soll er in der fraglichen Nacht auf die Eiswarnungen seiner Kollegen reagiert haben.
Erst kurz vor seinem Tod im Jahr 1990 erzählt Jimmy Myrick seiner Familie, dass er der erste war, der das Notsignal der „Titanic“ hörte. Seine Vorgesetzten hatten ihn zum Schweigen verdonnert, weil nicht herauskommen sollte, dass sie den 14-Jährigen alleine in der Station vor dem Funkgerät gelassen hatten. Die Funkstation auf Cape Race brennt kurz nach dem Titanic-Unglück nieder, wird später originalgetreu wieder aufgebaut. Das rote Holzgebäude ist heute ein kleines Museum und eine Funkstation für Amateure.
Rundfunkgeschichte vom 13. April
Große Freiheit 39 – das ist eine legendäre Adresse in Hamburg, wenn es um Musik geht. Dort wird nämlich am 13. April 1962 der Star-Club eröffnet. Er existiert nur sieben Jahre, aber alle Größen der Rockmusik gastieren hier.
Manfred Weissleder hat die Idee, ein altes Kino umzubauen. „Treffpunkt der Jugend“ steht über dem Eingang, und das ist die Wahrheit. Das Konzept: Jeden Abend treten sieben Bands auf, jede eine Stunde lang. Das kommt gut an.
Im Club gastieren beispielsweise The Animals, The Searchers, Bill Haley, Chuck Berry, Little Richard, Jimi Hendrix, Gerry & the Pacemakers, Fats Domino, The Everly Brothers, The Rattles und Jerry Lee Lewis. Er nimmt dort 1964 sein Album „Live at the Star-Club, Hamburg“ auf.
Weltweit berühmt wird der Star-Club vor allem aber durch die Gastspiele der Beatles, die dreimal hier gastieren: Vom 13. April 1962 bis 31. Mai 1962, dann vom 1. bis zum 14. November 1962 und 18. bis zum 31. Dezember 1962. Was für ein Jahr!
Rundfunkgeschichte vom 12. April
Wir schreiben das Jahr 1954. Der 12. April ist für einen jungen Musiker ein ganz besonderes Datum: Bill Haley nimmt den Song „Rock Around the Clock“ auf, der zu seinem größtem Hit und zu einer der wichtigsten Platten der Rock'n'Roll-Geschichte wird. Der Film ist im Jahr 1955 auch in dem Film "Blackboard Jungle" zu hören. Musikhistoriker sind sich einig: Damit beginnt die Ära des Rock 'n' Roll. „Rock Around the Clock“ erreicht am 29. Juni 1955 den Platz 1 der US-Hitparade und hält sich dort acht Wochen lang. Insgesamt ist er 24 Wochen lang in den Charts und verkauft sich mehr als 25 Millionen Mal.
Rundfunkgeschichte vom 11. April
Der Apple I geht am 11. April 1976 in den Verkauf. Der von Stephen Wozniak entwickelte Computer ist als erstes Gerät der Welt für Privathaushalte erschwinglich – es kostet nur 666 US-Dollar. Außerdem ist es mit allen benötigten Anschlüssen ausgestattet, um ihn auf moderne Weise per Tastatur und Monitor zu bedienen. Daher wird der Apple I auch als erste PC (personal computer) der Welt bezeichnet. Wozniaks Freund Steve Jobs hat die Idee, den Computer auf den Markt zu bringen. Der Rest ist die legendäre Geschichte von Apple.
Wenn man an Apple und Audio denkt, dann wohl zuerst an das AAC-Format. Trotz der beiden As im Namen ist es nicht von Apple entwickelt worden, der kalifornische Computer-Riese hat aber früh auf das Advanced Audio Coding gesetzt und damit zur großen Verbreitung beigetragen. Eine AAC-Datei bietet bei gleicher Größe mehr Soundqualität als eine MP3-Datei. Mittlerweile gibt es aber auch Apple Lossless (ALAC) .
Rundfunkgeschichte vom 09. April
Könnte an diesem Datum im Jahr 1860 die älteste noch bestehende Tonaufnahme entstanden sein, eine Aufzeichnung des französischen Volkslieds „Au Clair de la Lune“? So klingt die Aufnahme:
http://www.firstsounds.org/sounds/1860-Scott-Au-Clair-de-la-Lune-09-08.mp3
Édouard-Léon Scott de Martinville entwickelt 1857 den sogenannten Phonautograph. Das Gerät gilt als das erste bekannte Verfahren, mit dem Schallwellen so in ein visuelles Signal umkodiert werden, dass die Zuordnung eindeutig und darum auch prinzipiell umkehrbar ist. Patentiert wird es am 25.3.1857 patentiert. Ähnlich wie der spätere Phonograph wird der Schalls unmittelbar in Vibrationen eines Trichters verwandelt, mit dem Tonaufzeichnungen auf eine geschwärzte Glasplatte erfolgte. Später wird auf geschwärzte Zylinder „geschrieben“.
Die große Schwäche des Phonautographen: Die audiovisuellen Aufzeichnungen können nicht wiedergegeben werden. Die Erfindung wird allein für wissenschaftliche Untersuchungen der Darstellung von Schallwellen verwendet, aber nicht zur Wiedergabe und Vermarktung von Tonaufnahmen, wie es später Thomas Alva Edison machte.
Rundfunkgeschichte vom 07. April
Warum heißt der Rock'n'Roll eigentlich so? Weil der DJ Alan Freed den Begriff populär machte. Schon 1946 hatte das Fachmagazin Billboard von „Rock and Roll“ gesprochen, aber erst Freed schaffte es, den Begriff in aller Munde zu bringen. Und am 7. April 1956 startete seine Sendung „Rock 'n Roll Dance Party“ im CBS Radio Network. Wie das klang? Mitreißend, wie man hier hören kann:
Alan Freed war der erste Radio-DJ, der die neue Rockmusik unterstützte und im Mainstream-Radio ausstrahlte. Er erklärte es so: „Rock 'n Roll ist eigentlich Swing mit einem modernen Namen. Er begann auf den Dämmen und Plantagen, nahm Volkslieder mit auf und hat auch Blues und Rhythmus." Er spielte auch Musik von afroamerikanischen Künstlern und nicht die „weißen“ Cover-Versionen, er organisierte Konzerte und schaffte es so, Brücken zu bauen. In vielen Filmen aus den 50er Jahren spielt sich der DJ selbst. In „Rock, Rock, Rock“ (1956) betont er: „Der Rock'n'Roll ist ein Fluss der Musik, der viele Ströme aufgesogen hat: Rhythm and Blues, Jazz, Ragtime, Cowboy-Songs, Country-Songs, Volkslieder. Alle haben viel zum Big Beat beigetragen."
Die Karriere des Alan Freed geht nicht ganz so glanzvoll weiter wie die Karriere der von ihm präsentierten Musik: Der Payola-Skandal zerstört seine Reputation – es ist bekanntgeworden, dass Plattenfirmen die DJs ordentlich schmieren, damit diese bestimmte Songs bevorzugen. Dann kommt heraus, dass er sich als Co-Autor von Songs bezeichnet hat, was nicht stimmt. Am Ende kommt noch eine Anklage wegen Steuerhinterziehung. Alan Freed stirbt allerdings an den Folgen seines exzessiven Alkoholkonsums im Jahr 1965. Er wird nur 43 Jahre alt.
Rundfunkgeschichte vom 04. April
Am 4. April 1954 gibt der italienische Dirigent Arturo Toscanini sein letztes Konzert – und durch einen glücklichen Zufall ist es in Stereo-Qualität erhalten geblieben! Das Konzert in der Carnegie Hall in New York wird noch durch einen weiteren Umstand legendär, dazu später mehr.
Arturo Toscanini ist bei Musikern gefürchtet für sein Temperament: Mit ungebrochener Energie und vollem Körpereinsatz steht er Jahrzehnte lang am Pult. Er ist 87 Jahre alt, aber das merkt man ihm nicht an. Sein eigenes, vom Sender NBC gegründetes Symphonieorchester ist vollzählig angetreten, auf dem Programm steht Musik von Richard Wagner: das Lohengrin-Vorspiel, Siegfrieds Rheinfahrt und das Venusberg-Bacchanal aus dem „Tannhäuser".
Mitten in diesem Stück passiert es: Arturo Toscanini hört auf zu dirigieren. Er steht am Pult wie in Gedanken, eine Hand hält er sich vor die Augen. Das Orchester gerät ins Schwimmen. Der erste Cellist steht auf und übernimmt es, den Kollegen die Einsätze anzuzeigen. Nach einer Minute fängt sich Toscanini wieder und dirigiert weiter. Zu hören ist die kleine Panne auf frühen Stereo-Versuchsaufnahmen von John „Jack“ Pfeiffer. Der Ingenieur experimentierte für RCA mit Stereo- und Quadrophonieaufnahmen. So ist das bemerkenswerte Konzert erhalten geblieben.
Den Schlussapplaus des Publikums nimmt Toscanini übrigens nicht mehr entgegen. Was ist passiert, hat er einen Schwächeanfall? Nein, wohl eher nicht. Der Sender hatte Toscanini zu verstehen gegeben, man wolle das Orchester auflösen und wünsche sich, dass er seine Dirigenten-Laufbahn beende. Toscanini tritt nie mehr als Dirigent auf. Wenige Monate später wird das Orchester aufgelöst. Der Maestro stirbt drei Jahre später.