Rundfunkgeschichte vom 28. Mai

Scherzanrufe sind auch heute im Radio gerne gehört – einen der ersten hat es am 28. Mai 1958 gegeben. Die Zutaten: zwei rivalisierende Radiosender in New York City, der spätere französische Präsident Charles de Gaulle und eine Stewardess. Dazu später.

Der eine Sender, 1010WINS jedenfalls veräppelt den Rivalen WMGM 1050 AM ganz gewaltig. Der kleinere Sender WMGM ist erpicht darauf, den größeren Sender WINS auszustechen. Und das große Nachrichtenthema an diesem Tag ist der Zusammenbruch der französischen Regierung. Die WMGM-Nachrichtenredaktion beschließt, alles auf eine Karte zu setzen. Der Sprecher kündigt an: „Möglicherweise wird heute eine neue Regierung mit General de Gaulle an der Spitze gebildet. WMGM hat eine Fernverbindung nach Übersee zu General de Gaulle, um Ihnen ein direktes Interview zu bringen…“

Als ob de Gaulle ans Telefon geht, wenn ein New Yorker Radiosender anruft. Auch bei WINS hört man die großspurige Ankündigung… Und tatsächlich klingelt kurz darauf bei WMGM das Telefon, eine Telefonistin aus Übersee ist dran – zumindest behauptet sie das. Die Dinge nehmen ihren Lauf. Der angebliche General mit tollem französischem Dialekt besteht darauf, live auf Sendung genommen zu werden und das passiert dann auch. Zu hören im gesamten Nordwesten der USA.

Nach einigen Fragen des Interviewers allerdings fragt der angebliche General de Gaulle: „Monseuir, können Sie mir noch einmal sagen, mit wem ich hier spreche?“ Oha, die Antwort WMGM gefällt ihm nicht: „WMGM?“, wiederholt der angebliche General. „Jeder weiß doch, dass der beste Radiosender in New York WINS ist.“ Dann schrie er: „Viva la France!“ Es folgt hysterisches Gelächter.

Die Zeitungen sind voll von dem Vorfall, WMGM ist stinksauer. Und was macht WINS? Den ganzen Nachmittag über sagen die Moderatoren die Zeit auf Französisch an! Am Tag danach eine weitere Beleidigung, bei WMGM trifft ein Telegramm ein, nachweislich verschickt aus Paris. Es lautet: „Ich wurde unterbrochen. Was ist passiert? –Charles de Gaulle.“

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Es vergehen sage und schreibe 26 Jahre, bis ein stellvertretender Programmdirektor von WINS gesteht, dass man bei der Konkurrenz angerufen hat – komplett mit „voraufgezeichnetem transatlantischem Rauschen“. Die Idee hatte der WINS-Nachrichtenchef Tom O’Brien. Und das gefälschte Telegramm verschickte seine Verlobte, eine Stewardess, die in Paris arbeitete…