Yvonne Malak: Ist denn schon wieder Lockdown?
Und täglich grüßt das Murmeltier… in diesen Tagen wiederholen viele Medien täglich alle Fakten rund um R-Werte, Infizierte, den Lockdown, die gebeutelte Gastronomie etc… in einem Radiosender, dessen USP „Unterhaltung“ ist, ist das auf Dauer logischerweise schädlich. Deshalb will ich hier einige Erkenntnisse, Studien und Tipps der vergangenen Monate nochmal zusammenfassen.
Grundsätzlich bleibt es natürlich dabei, dass ein Sender das Leben seiner Hörer spiegeln sollte.
Eine Sendung, die nichts mit dem Leben der Hörer zu tun hat, also das Thema „Lockdown und dessen Folgen“ ignoriert, ist genauso ein No-Go wie eine Sendung, die – es sei denn, Sie arbeiten in einem Infosender – redundant die Themen rund um Infiziertenzahlen und die immer gleichen Politikerapelle wiederholt. Das WIE hier entscheidet über Dranbleiben oder Wegschalten.
In diesem dunklen Monat gilt mehr denn je: seien Sie die Insel, die zwar das Leben spiegelt, aber dabei immer den positiven Aspekt sucht und Leichtigkeit ausstrahlt. Als Benchmark für die „bad news“ und die harten Fakten haben Sie stündlich die Nachrichten, die man jederzeit teasen und damit jedes schwierige Thema „aufploppen lassen“ kann.
Drumherum sollten Sie das Grundbedürfnis ans Radiohören erfüllen: gute Stimmung erzeugen! Klar, die Befindlichkeiten sind „Zuhause bleiben“, „Kontakte reduzieren“, „Verzichten“. Und manchmal gehören auch „hard facts“ dazu. Wie in allen Lebensbereichen gilt auch hier: auf die Dosis kommt es an. Im April sagte mir Bill de Lisle, COO von Radioanalyzer, der täglich die Streamabrufe von zig Radiostationen aus ganz Europa analysiert:
„Wir haben gesehen, dass sich die Akzeptanz der Inhalte und wie diese Inhalte genutzt werden, verändert hat. Am Anfang wollten die Menschen so viele Informationen wie möglich. Später war es dann zum Beispiel so, wenn Informationen redundant wurden(… ) waren das starke Abschaltfaktoren. Wir haben ganz klar gesehen: irgendwann als alle diese Informationen bekannt und ausreichend kommuniziert waren, war die ständige Erinnerung daran ein deutlicher Abschaltfaktor.
Ganz anders war es mit den Informationen, die sich darum gedreht haben, das Leben der Menschen widerzuspiegeln und zwar emotional widerzuspiegeln. Wie gehen andere mit der Situation um? (…) Was erleben andere Menschen in anderen Ländern derzeit in dieser Krise? Die Menschen wollten hören, wie es anderen Menschen geht – sie konnten ja nicht mit anderen Leuten draußen reden und hatten halt nur das Radio oder Fernsehen und Fernsehen ist ja jetzt nicht so das Medium für Dialoge…
Ich denke, die Hörer genießen diese Art von sozialen Kontakten und damit den Bezug zu anderen Menschen (…)“.
Wichtig beim Zusammenstellen der Inhalte bleibt auch im November: bleib deinen Images treu und damit den Bedürfnissen deiner Hörer an deinen Sender!
Bill de Lisle dazu: Wenn ein Sender sich ein Image für gutes Wort erarbeitet hat – wie zum Beispiel Radio Eins in Berlin – und wenn dieses Wort dann nicht redundant ist und spannend aufbereitet, dann akzeptieren die Hörer natürlich auch längere Wortstrecken. Wenn ein Sender bislang aber auf kurze Breaks gepolt war oder auf Gewinnspiele, dann akzeptieren die Hörer auch in Corona Zeiten keine langen Wortbreaks. Wir erziehen die Erwartungshaltung unserer Hörer jeden Tag ein kleines Stückchen mit.
Ich habe es hier schon oft geschrieben und mit verschiedensten Studien belegt: Musiksender sind die Good-Mood-Manager ihrer Hörer.
Das Institut Kantar macht seit Jahren Studien zum Mood-Management durch Mediennutzung. In der untenstehenden Grafik zeigt sich dabei eindeutig die Motivation das Radio einzuschalten (und nach wie vor entfallen ca. 90% der Nutzung auf die klassischen Musiksender!): „sichere Freude ohne emotionales Risiko“, „Entspannung und Ruhe statt Erregung“.
Deshalb lautet die Anforderung unserer Hörer an ihren Musiksender: Erwartungen an die „sichere Freude ohne emotionales Risiko“ erfüllen… Zum Beispiel, indem Sie den positiven Dreh suchen und Leichtigkeit ausstrahlen. Das widerspricht nicht dem Gebot, immer das Leben zu spiegeln! Das geht auch mit einem Hörer-O-Ton, aufmunternden Worten oder einem Bezug zum Thema innerhalb eines Gewinnspiels.
Ein Corona- Overkill wird nämlich schnell zum Abschaltfaktor – siehe oben das Statement von Bill de Lisle dazu – und das wiederum beeinflusst sicher den WHK für die nächste MA, die im Dezember beginnt und den wir folglich (4 Wochen !!!) ab sofort aufbauen müssen! Ein weiterer Beleg für diese These ist diese Studie des Reuters Instituts. In einer Umfrage in Großbritannien zeigt diese eine signifikante Steigerung eines „Nachrichtenvermeidungsverhaltens“. Bei der Befragung gaben im Mai 2020 ganze 59% aller befragten Erwachsenen an, Nachrichten sehr oft oder wenigstens gelegentlich bewusst aus dem Weg zu gehen (im Radio nennt man das „Abschalten“). Einen Monat zuvor waren es „nur“ 49%.
86% dieser Nachrichtenvermeider taten dies, um Corona-Infos aus dem Weg zu gehen.
Wenn also eine Mehrheit sehr oft oder wenigstens gelegentlich Corona-Infos entweichen will, bieten Sie dieser Mehrheit ein neues Zuhause: mit einer fröhlichen Ausstrahlung, einem positiven Dreh und natürlich der besten Musik für Ihre Zielgruppe.
Herzlichst,
Ihre
Yvonne Malak
Yvonne Malak
Die Morgenshow
256 Seiten, 17 Abb., Broschur
ISBN 978-3-86962-431-0
24,00 € Herbert von Halem Verlagsgesellschaft
https://www.halem-verlag.de/die-morgenshow/
Yvonne Malak ist Radioberaterin und berät eine Vielzahl von Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Yvonne Malak schreibt monatlich für die radioWOCHE. Die nächste Ausgabe erscheint am 01. Dezember 2020.
Alle bisher veröffentlichten Publikationen von Yvonne Malak finden Sie auch unter www.my-radio.biz/category/publikationen/radiowoche